Keynes
Gesellschaft

A.VI. Aussprüche und Parabeln

 

1. Die berühmteste und meist zitierte Formulierung von Keynes lautet:

„In the long run we are all dead“

Keynes hat sie in seinem “Tract on Monetary Reform” von 1923 (siehe dazu Rubrik “Monographien” – dort Nr. 5 – dieser Homepage) in einer Analyse der Quantitätstheorie und ihrer Aussage über den Zusammenhang zwischen Geldmenge und Inflationsrate benutzt. Zu dieser bemerkt Keynes (1923, S. 80):

„Now, in the long run this is probably true… But this long run is a misleading guide to current affairs. In the long run we are all dead”

Er fügt die folgende Kritik an den langfristorientierten Ökonomen hinzu (ebenda):

„Economists set themselves too easy, to useless a task if in tempestuous seasons they can only tell us that when the storm is long past the ocean is flat again“

 

In der deutschen Übersetzung von 1924 (‚Ein Traktat über Währungsreform’) lauten diese Sätze (S. 83):

„Nun ist das auf lange Sicht wahrscheinlich richtig… Aber die lange Sicht ist ein schlechter Führer in bezug auf die laufenden Dinge. Auf lange Sicht sind wir alle tot. Die Volkswirtschaft macht es sich zu leicht und macht ihre Aufgabe zu wertlos, wenn sie in stürmischen Zeiten uns nur sagen kann, daß, nachdem der Sturm lang vorüber ist, der Ozean wieder ruhig sein wird.“

 

2. Im Zusammenhang mit der Schaffung zusätzlicher internationaler Liquidität formuliert Keynes in seiner Monographie „The Means to Prosperity“ (1933) (siehe Monographien – dort Nr. 10), S. 357 in Vol. IX der Collected Writings)

“We cannot, by international action, make the horses drink. That is their domestic affair. But we can provide them with water”

 

Der deutsche Bundeswirtschaftsminister Karl Schiller, der 1968/1969 ein sehr erfolgreiches Konjunkturbelebungsprogramm durchsetzte, hat diese Formulierung gerne in folgender Weise verwendet:

„Man kann die Pferde zwar zur Tränke führen. Man kann sie aber nicht zwingen, das Wasser zu saufen.“

 

3. Spekulation und verantwortungsloses Handeln auf zu wenig regulierten Finanzmärkten haben die jüngste Finanzkrise ausgelöst. Dadurch ist Keynes pointierte Warnung vor zu stark dominierender Spekulation hoch aktuell geworden:

Speculators may do no harm as bubbles on a steady stream of enterprise. But the position is serious when enterprise becomes the bubble on a whirlpool of speculation. When the capital development of a country becomes a by-product of the activities of a casino, the job is likely to be ill-done.”

 

General Theory, p159.

Spekulanten mögen als Luftblasen auf einem steten Strom des Unternehmertums keinen Schaden anrichten. Aber die Lage wird ernst, wenn das Unternehmertum die Luftblase auf einem Strudel der Spekulation wird. Wenn die Kapitalentwicklung eines Landes das Nebenerzeugnis der Tätigkeiten eines Spielkasinos wird, wird die Arbeit voraussichtlich schlecht getan werden.”

 

Allgemeine Theorie, S.135.

 

4. In der “General Theory” (1936) setzt sich Keynes mit der Theorie der Klassiker und Neoklassiker (die er den Klassikern zuordnet) auseinander. Repräsentant der klassischen Theorie ist Ricardo (lebte von 1772 bis 1823), für den es keine allgemeine Überproduktion (also auch keinen allgemeinen Nachfragemangel) geben konnte. Sein geistiger Gegenspieler, mit dem er ausführlich diskutierte und korrespondierte, war Malthus (1766 – 1834), der diese Möglichkeit durchaus sah. Aber leider musste Keynes feststellen (1936, S. 32):

„Ricardo conquered England as completely as the Holy Inquisition conquered Spain.“

 

In der deutschen Übersetzung (10. Aufl., 2006, S. 27 f.) lautet dieser Satz:

„Ricardo hat England so vollständig erobert wie die Heilige Inquisition Spanien.“

 

5. Keynes kritisierte die klassischen Theoretiker u.a. mit folgendem Vergleich:

„The classical theorists resemble Euclidean geometers in a non-Euclidian world who, discovering that in experience straight lines apparently parallel often meet, rebuke the lines for not keeping straight – as the only remedy for the unfortunate collisions which are occurring.“ J.M. Keynes, 1936, General Theory, S. 16.

 

„Die klassischen Theoretiker gleichen euklidischen Mathematikern in einer nichteuklidischen Welt, die entdecken, dass scheinbar parallele gerade Linien in Wirklichkeit sich oft treffen, und denen kein anderes Mittel gegen die sich ereignenden bedauerlichen Zusammenstöße einfällt, als die Linien zu schelten, dass sie nicht gerade bleiben.“ J.M. Keynes, 1936, Allgemeine Theorie, dt. Übersetzung 2006, S. 14.

 

6. Einen literarischen Vergleich zum gleichen Thema trifft Keynes im Kapitel 3 seiner „General Theory“ (1936, S. 33):

„The celebrated optimism of traditional economic theory, which has led to economists being looked upon as Candides, who, having left this world for the cultivation of their gardens, teach that all is for the best in the best of all possible worlds provided we will let it well alone, is also to be traced, I think, to their having neglected to take account of the drag on prosperity which can be exercised by an insufficiency of effective demand.”

 

In der deutschen Übersetzung (11. Aufl., 2009, S. 28/29) lautet diese Parabel:

Der berühmte Optimismus der traditionellen ökonomischen Theorie, der dazu geführt hat, dass jeder Ökonom als Candide (Romanfigur von Voltaire – Anm. K/S) angesehen wird, der nach Verlassen dieser Welt sich der Bebauung seines Gartens widmet und lehrt, dass alles aufs beste in dieser besten der möglichen Welten geregelt ist, wenn nur alles sich selbst überlassen bleibt, scheint mir auch auf deren Unterlassung zurückzuführen zu sein, die Hemmung des Wohlstandes zu berücksichtigen, die durch einen Mangel an effektiver Nachfrage ausgeübt werden kann.

 

7. Gegen den Versuch, die Unsicherheit der Zukunft in Risikowahrscheinlichkeiten umzudeuten, die sich berechnen lassen, wendet sich Keynes in seinem Aufsatz ‚The General Theory of Employment’ in The Quarterly Journal of Economics, Vol. 51, No. 2 (Feb. 1937), S. 209-223. Wiederabgedruckt in D. Moggridge (Hrsg.) ‚Collected Writings of John Maynard Keynes’ Vol. XIV, Part II, Basingstoke, London (Macmillian) 1987.

“By ‘uncertain’ knowledge, let me explain, I do not mean merely to distinguish what is known for certain from what is only probable. The game of roulette is not subject, in this sense, to uncertainty; nor is the prospect of a Victory bond being drawn. Or, again, the expectation of life is only slightly uncertain. Even the weather is only moderately uncertain. The sense in which I am using the term is that in which the prospect of a European war is uncertain, or the price of copper and the rate of interest twenty years hence, or the obsolescence of a new invention, or the position of private wealth owners in the social system, in 1970. About these matters there is no scientific basis on which to form any calculable probability whatever. We simply do not know.

 

 

8. Auch in folgendem Zitat spricht er die Folgen unserer Unkenntnis der Zukunft an.

„The social object of skilled investment should be to defeat the dark forces of time and ignorance which envelope our future” (GT, S.155)

Die deutsche Übersetzung lautet:

„Der soziale Zweck geschickter Investitionen sollte die Überwindung der dunklen Kräfte der Zeit und der Unwissenheit sein, die unsere Zukunft einhüllen.“ (Allg. Theorie, 10.Auflage, S.132)

 

9. In seinem Aufsatz ‘Some Economic Consequences of a Declining Population’ Eugenics Review, April, 1937, wiederabgedruckt in D. Moggridge (Hrsg.) ‚Collected Writings of John Maynard Keynes’ Vol. XIV (The General Theory and after), Part II, Basingstoke, London (Macmillian) 1987, S. 124-133, unterstreicht Keynes für Volkswirtschaften mit konstanter oder gar schrumpfender Bevölkerung (so wie im Deutschland der Gegenwart) die Schwierigkeit, eine genügend große Güternachfrage aufrecht zu erhalten:

„With a stationary population we shall, I argue, be absolutely dependent for the maintenance of prosperity and civil peace on policies of increasing consumption by more equal distribution of incomes and of forcing down the rate of interest as so to make profitable a substantial change in the length of the period of production.” (1937, S. 132)

 

Unterbleibt eine solche Politik, würde die chronische Tendenz zur Unterbeschäftigung das kapitalistische System stark gefährden:

„If capitalist society rejects a more equal distribution of incomes and the forces of banking and finance succeed in maintaining the rate of interest somewhere near the figure which ruled on the average during the nineteenth century… then a chronic tendency towards the underemployment of resources must in the end sap and destroy that form of society.” (ebenda)

 

 

10. In “An Open Letter to President Roosevelt” vom 31. Dezember 1933, in: CW, Vol. XXI, S.289-97; and in: Readings in Fiscal Policy Homewood, Ill. (Irwin) 1955 schreibt Keynes:

“Some people seem to infer from this that output and income can be raised by increasing the quantity of money. But this is like trying to get fat by buying a larger belt.”

 

In deutscher Übersetzung bedeuten diese Sätze:

„Einige Leute scheinen daraus abzuleiten, Produktion und Einkommen könnten erhöht werden, indem man die Geldmenge erhöht. Aber dies ist so, als würde man versuchen dick zu werden, indem man sich einen längeren Gürtel kauft.“

 

11. Berühmt ist auch Keynes’ Vergleich des erfolgreichen Agierens an der Börse mit einem speziellen Schönheitswettbewerb:

„ Professional investment may be likened to those newspaper competitions in which the competitors have to pick out the six prettiest faces from a hundred photographs, the prize being awarded to the competitor whose choice most nearly corresponds to the average preferences of the competitors as a whole; so that each competitor has to pick, not those faces which he himself finds prettiest, but those which he thinks likeliest to catch the fancy of the other competitors, all of whom are looking at the problem from the same point of view. It is not a case of choosing those which, to the best one’s judgment, are really the prettiest, nor even those which average opinion genuinely thinks the prettiest. We have reached the third degree where we devote our intelligences to anticipating what average opinion expects the average opinion to be. And there are some, I believe, who practise the fourth, fifth and higher degrees.”(GT, S.156)

 

In deutscher Übersetzung bedeuten diese Sätze:

„(Es) kann das berufsmäßige Investment mit jenen Zeitungswettbewerben verglichen werden, bei denen die Teilnehmer die sechs hübschesten Gesichter von hundert Lichtbildern auszuwählen haben, wobei der Preis dem Teilnehmer zugesprochen wird, dessen Wahl am nächsten mit der durchschnittlichen Vorliebe aller Teilnehmer übereinstimmt, so dass jeder Teilnehmer nicht diejenigen Gesichter auszuwählen hat, die er selbst am hübschesten findet, sondern jene, von denen er denkt, dass sie am ehesten die Vorliebe der anderen Teilnehmer gewinnen werden, welche alle das Problem vom gleichen Gesichtspunkt aus betrachten. Es handelt sich nicht darum, jene auszuwählen, die nach dem eigenen Urteil wirklich die hübschesten sind, ja sogar nicht einmal jene, welche die durchschnittliche Meinung wirklich als die hübscheste betrachtet. Wir haben den dritten Grad erreicht, wo wir unsere Intelligenz der Vorwegnahme dessen widmen, was die durchschnittliche Meinung als das Ergebnis der durchschnittlichen Meinung erwartet. Und ich glaube, dass es sogar einige gibt, welche den vierten, fünften und noch höhere Grade ausüben.“ (Allg. Theorie, 10.Auflage,S.132f)

 

12. In seinem – sehr optimistischen – Aufsatz „Economic Possibilities for Our Grandchildren (s. dessen Vorstellung in der Rubrik „Wichtige Aufsätze und Beiträge“) aus dem Jahre 1930 betont Keynes, dass langfristig das ökonomische Problem (der Knappheit materieller Güter – J.K.) lösbar sei und man sich dann den wirklich wichtigen Dingen zuwenden könne. Das ökonomische Problem sollte eine Angelegenheit von Spezialisten sein, die konkrete Probleme kompetent lösen – wie die Zahnärzte. In Keynes’ Worten :

„If economists could manage to get themselves thought of as humble, competent people, on a level with dentists, that would be splendid “(C.W. Vol. 9, S.332).

 

In deutscher Übersetzung heißt dies:

„Wenn es die Ökonomen hinbekämen, dass man sie als bescheidene, kompetente Leute betrachtet, auf einer Ebene mit Zahnärzten, das wäre herrlich.“

 

13. Keynes war dafür bekannt, das er häufig seine Meinung änderte. Dazu berichtet Samuelson:

“Keynes… was always accused of continually changing his mind… He said:

 

‘When my information change, I change my mind. What do you do, Sir?’”

 

Quelle: Marc Blaug; John Maynard Keynes. Life, Ideas, Legacy. Basingstoke, London (Macmillian) 1990. Interview mit Paul A. Samuelson.

 

14. In Kapitel 9 der Allgemeinen Theorie erwähnt Keynes die Vorurteile, die gegenüber kreditfinanzierten Staatsausgaben bestehen, und kritisiert sie voller Sarkasmus mittels eines „Gedankenexperiments“ (S.129)

„If the Treasury were to fill old bottles with banknotes, bury them at suitable depths in disused coalmines which are then filled up to the surface with town rubbish, and leave it to private enterprise on well-tried principles of laissez-faire to dig the notes up again (the right to do so being obtained, of course, by tendering for leases of the note-bearing territory), there need be no more unemployment and, with the help of the repercussions, the real income of the community, and its capital wealth also, would probably become a good deal greater than it actually is. It would, indeed, be more sensible to build houses and the like; but if there are political and practical difficulties in the way of this, the above would be better than nothing.”

 

In der deutschen Übersetzung (11. Auflage 2009, S.110) lautet dieser Absatz:

„Wenn das Schatzamt alte Flaschen mit Banknoten füllen und sie in geeignete Tiefen in verlassenen Kohlenbergwerken vergraben würde, die dann bis zur Oberfläche mit städtischen Abfällen gefüllt würden und es dann dem privaten Unternehmergeist nach den erprobten Grundsätzen des laissez-faire überlassen würde, die Noten wieder auszugraben (wobei das Recht, dies zu tun, natürlich durch Offerten für die Pacht des Grundstücks, in den die Noten liegen, zu erwerben wäre), brauchte es keine Arbeitslosigkeit mehr zu geben, und dank der Rückwirkungen würde das Realeinkommen des Gemeinwesens wie auch sein Kapitalreichtum wahrscheinlich viel größer als jetzt werden. Es wäre zwar vernünftiger, Häuser und dergleichen zu bauen, aber wenn dem politische und praktische Schwierigkeiten im Wege stehen, wäre das obige besser.“