Keynes
Gesellschaft

D.III Vorherrschaft und Entthronung des Monetarismus

Der Monetarismus hatte seine große Zeit, als in den 1970er Jahren aufgrund der ersten beiden Ölpreisschocks (1969 und 1973) die Inflationsraten weltweit aufgrund dieses Angebotsschocks kräftig anzogen (bis zu 7% in der BRD).
Die Keynesianer schienen darauf weder eine Erklärung noch eine wirtschaftspolitische Antwort zu haben (trotz ihrer in der Rubrik E.IV.2 dargestellten Inflationstheorien, die aber in den Standardlehrbüchern keine Rolle spielen). Diese Lücke versuchten die Monetaristen zu füllen, obwohl auch in ihrer Theorie Angebotsschocks zunächst keine Bedeutung hatten. Ihre These, die Ursache der Inflation läge bei der Geldmenge, gab der Geldpolitik eine gewichtige Rolle und ermuntere sie, der Inflation mit einer restriktiven Geldmengensteuerung entgegenzutreten; dazu trug erheblich bei, dass die Monetaristen prognostizierten, diese werde nur kurzfristig geringfügige negative Auswirkungen haben. So prognostizierte Friedman (1980, S. 61), die Rückführung der Inflation in Großbritannien auf eine einstellige Rate bis 1982 werde nur eine „modest reduction in output and employment“ hervorbringen, die Wirkung auf die Investitionen und das Potential für künftiges Wachstum „will be highly favorable“. Bei Weckung geeigneter Erwartungen werde diese Politik gar keine negativen Beschäftigungswirkungen haben.

Diese Prognose, die sich allerdings als falsch erwies, ermutigte viele Zentralbanken mit restriktiver Geldpolitik gegen die Inflation vorzugehen. Sie hatten damit (teuer erkauften) Erfolg: Inzwischen bestimmen sie weitgehend die Inflationsrate. Aus Angst vor restriktiven Maßnahmen haben die Tarifparteien ihr Lohn- und Preissetzungsverhalten geändert, sodass die Phillipskurve ziemlich flach verläuft. Inzwischen gilt die Sorge der Notenbanken fast überall stärker der Gefahr von Deflation als der Gefahr einer Rückkehr der Inflation, und es wurde diskutiert, wieweit sich die Phillipskurve abgeflacht habe oder gar horizontal verlaufe (siehe im Einzelnen Kromphardt/Logeay, 2011a und b).

Die von wichtigen Notenbank seit der Finanzkrise 2008/09 betriebene Ausweitung der Zentralbankgeldmenge hat außerdem gezeigt, dass die monetaristische Vorstellung eines engen Zusammenhangs zwischen der Zentralbankgeldmenge (der sogenannten Geldbasis) und der Geldmenge (M1 oder M3) nicht der Realität entspricht, da die Geschäftsbanken die gestiegene Geldbasis nicht nutzen (können), um verstärkt Geld- und Kreditschöpfung (durch Vergabe von mehr Krediten an Unternehmen) zu betreiben.
Mit dieser geldpolitischen Ausrichtung haben sich die Zentralbanken von der monetaristischen Lehre verabschiedet. Die US-amerikanische Notenbank (FED) hat dies jetzt auch offen bekundet: Ihre Vorsitzende, die Ökonomin Janet Yellen hat klar gemacht,
„dass in ihrem geldpolitischen Denken die Geldmenge überhaupt keine Rolle mehr spielt. Vielmehr stellte sie als Faktoren für die kurzfristige Inflationsentwicklung (neben Importpreisen oder externen Schocks wie aktuell dem Ölpreisrückgang) vor allem den Auslastungsgrad der Produktionskapazitäten und den Arbeitsmarkt heraus. Ist die Arbeitslosigkeit gering, kann der resultierende Lohndruck zu einem Preisanstieg führen. Längerfristig werde sich die Inflationsrate jedoch um die Inflationserwartungen herum bewegen. Diese Inflationserwartungen könne die Zentralbank prägen“, bekräftigte Yellen (FAZ vom 30.9.2015).
Damit ist deutlich geworden, dass der Monetarismus in der geldpolitischen Diskussion keine Rolle mehr spielt. Dies gilt allerdings nicht für die Beschäftigungspolitik, in der die Fiktion, die tatsächliche Arbeitslosigkeit sei vor allem strukturbedingt, weiterhin eine verhängnisvolle Rolle spielt (vgl. Klär, 2015).

Literaturverzeichnis

1. Zitierte Literatur

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Ehrlicher, Werner (1977), Zur Monetarismus-Diskussion. „Kredit und Kapital“, 10. Jg. Wiederabgedruckt in: Ehrlicher, Werner/Becker, Wolf-Dieter, Die Monetarismus-Kontroverse. Eine Zwischenbilanz, Berlin, 1978.

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2. Vertiefende Literatur:

Ehrlicher, Werner/Becker, Wolf-Dieter, (1978) Die Monetarismus-Kontroverse. Eine Zwischenbilanz. Berlin.

Kalmbach, Peter (Hrsg.) (1973), Der neue Monetarismus, München.

Kromphardt, Jürgen (1998), Arbeitslosigkeit und Inflation. Eine Einführung in die makroökonomischen Kontroversen. 2. Auflage, Göttingen, insbesondere Kapitel IV: Inflation und Beschäftigungsgrad.

Kromphardt, Jürgen / Logeay, Camille (2011a), Flattening of the Phillips Curve: Estimations and Consequences for Economic Policy (“Intervention, European Journal of Economics and Economic Policies”, Vol. 8, S. 43-67 sowie (2011b) Birgt der nächste Aufschwung Inflationsgefahren. In: F. Helmedag / J. Kromphardt (Hrsg.), Nachhaltige Wege aus der Finanz- und Wirtschaftskrise. Marburg (Metropolis), S. 191-2012.

Laidler, David (1981), Monetarism: An Interpretation and an Assessment. “The Economic Journal”, Bd. 91, S. 1-28.

Mayer, Thomas (1975), The Structure of Monetarism. “Kredit und Kapital“, 8.Jg. Deutsch in: Ehrlicher, Werner/Becker, Wolf-Dieter (1978).

Nowotny, Ewald (Hrsg.) (1974), Löhne, Preise, Beschäftigung. Frankfurt/Main (Fischer-Athenäum).