B.III.1. Einleitung von Paul Krugman zur Allgemeinen Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes von John Maynard Keynes
aus dem Englischen von Stephanie Schneider
Einleitung
Im Frühjahr 2005 wurde ein Gremium von „konservativen Wissenschaftlern und führenden Politikern“ gebeten, die gefährlichsten Bücher des 19ten und 20sten Jahrhunderts zu identifizieren. Sie bekommen eine Vorstellung von den Neigungen des Gremiums durch die Tatsache, dass sowohl Charles Darwin als auch Betty Friedan oben auf der Liste rangierten. Aber die Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes hat es auch sehr weit gebracht. John Maynard Keynes schlägt tatsächlich V.I. Lenin und Frantz Fanon. Keynes, der im oft zitierten Schlusssatz seines Buches erklärte, dass „es früher oder später Ideen sind, nicht erworbene Rechte, von denen die Gefahr kommt, sei es zum Guten oder zum Bösen“, würde vermutlich erfreut gewesen sein.
In den letzten 70 Jahren hat die Allgemeine Theorie die Auffassung sogar jener geprägt, die nicht von ihr gehört haben oder die glauben, ihr nicht zuzustimmen. Ein Geschäftsmann, der mahnt, sinkende Zuversicht berge Risiken für die Wirtschaft birgt, ist ein Keynesianer, ob er es weiß oder nicht. Ein Politiker, der verspricht, dass seine Steuersenkungen durch das Hineinstecken von Geld zum Ausgeben in die Taschen der Leute Arbeitsplätze schaffen, ist ein Keynesianer, selbst wenn er behauptet, diese Lehrmeinung zu verabscheuen. Sogar die selbst erklärten Angebotsökonomen, die behaupten, Keynes widerlegt zu haben, greifen wieder auf unverkennbar keynesianische Geschichten zurück, um zu erklären, warum die Wirtschaft in einem bestimmten Jahr schrumpfte.
In dieser Einleitung behandle ich fünf die Allgemeine Theorie betreffende Kernpunkte. Der erste ist die Botschaft des Buches – etwas, das durch das Buch selbst klar sein sollte, aber was oft verschleiert wurde von denen, die ihre Ängste und Hoffnungen auf Keynes projizieren. Der zweite ist die Frage, wie Keynes es geschafft hat: Warum hatte er, wo andere versagt haben, Erfolg dabei, die Welt davon zu überzeugen, ökonomische Ketzerei anzuerkennen? Drittens behandele ich die Frage, wie viel von der Allgemeinen Theorie in der heutigen Makroökonomie noch vorhanden ist: Sind wir nun alle Keynesianer oder haben wir entweder Keynes’ Vermächtnis verdrängt oder, wie einige sagen, verraten? Der vierte ist die Frage, was Keynes misslang und warum. Schließlich werde ich darüber sprechen, wie Keynes die Volkswirtschaftslehre und die Welt veränderte.
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