Aktuelles
Jürgen Kromphardt (1933-2025)
Am 16.11.2025 ist der Gründer der Keynes-Gesellschaft, ihr langjähriger erster Vorsitzender und späterer Ehrenvorsitzender Prof. Dr. Jürgen Kromphardt im Alter von fast 92 Jahren in Berlin verstorben.
In der Rückschau auf sein akademisches Lebenswerk zeigt sich, dass seine Forschung stets von gesamtwirtschaftlichen Fragen geprägt war. Dies wird schon in seinen ersten Veröffentlichungen deutlich, die sich mit Problemen der Wachstumstheorie und der Zahlungsbilanz beschäftigten. So lautete das Thema seiner Dissertation bei Erich Schneider in seiner Geburtsstadt Kiel 1957 Beiträge zur Theorie des Wachstums offener Volkswirtschaften. Ein zweijähriges Stipendium ermöglichte es ihm, die Schrift Strukturwandel und Einkommensverteilung. Die Entwicklung in der Nachkriegszeit zu verfassen, mit der er 1967 von der Universität Münster habilitiert wurde. Bereits 1968 erhielt Jürgen Kromphardt einen Ruf auf eine ordentliche Professur für Volkswirtschaftslehre an der Justus-Liebig-Universität in Gießen, wo er zwölf Jahre lehrte. 1980 wechselte er auf eine Professur für Volkswirtschaftslehre insbesondere Wirtschaftstheorie an der Technischen Universität Berlin.
Makroökonomische Gedankengänge beherrschen auch seine späteren Arbeiten zur Phillips-Kurve und zur Lohnentwicklung im Aufschwung. Herausragend sind seine Lehrbücher zu Konjunktur, Wachstum, Inflation und Arbeitslosigkeit sowie zu den Grundlagen der Makroökonomie, die lange Zeit Standardwerke für makroökonomische Vorlesungen gewesen sind.
Jürgen Kromphardt bewegte sich keineswegs nur im Elfenbeinturm der Wissenschaft. Von 1958-1965 und 1967/68 übte Jürgen Kromphardt eine Tätigkeit bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaft in Luxemburg und Brüssel aus, im Statistischen Amt sowie in der Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen.
Jürgen Kromphardt hat wissenschaftliche Aktivitäten stets mit großem gesellschaftlichem Engagement und intensiver Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses verbunden. Von 1968 bis 1999 gehörte er dem Theoretischen Ausschuss des Vereins für Socialpolitik an, in dessen Ausschuss für die Geschichte der Wirtschaftswissenschaften er seit seiner Gründung im Jahr 1980 bis ins hohe Alter aktiv mitgearbeitet hat.
In der Friedrich-Ebert-Stiftung war Jürgen Kromphardt von 1984-1998 Mitglied des Auswahlausschusses und von 1995-1998 Mitglied der Zukunftskommission. Viele Jahre war er auch einer der Sprecher des Kocheler Kreises für Wirtschaftspolitik. Seit 1996 gehörte er dem Kuratorium der FES an. Die Betonung makroökonomischer Zusammenhänge war auch prägend für seine Zeit als Politikberater mit dem Höhepunkt seiner Mitgliedschaft im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung von 1999 bis 2004. Er stellte sich dort gegen den seinerzeit immer mehr anschwellenden Strom rein angebotspolitischer Analysen, indem er die Nachfrageseite immer mit ins Bild seiner Vorschläge nahm, was ihn häufig in eine Minderheitenposition brachte. Die gesamtwirtschaftlichen Analysen von Jürgen Kromphardt basierten auf der Lehre von John Maynard Keynes. Dabei war Jürgen Kromphardt nicht nur ein profunder Kenner des Originalwerks von Keynes, sondern er war auch bestens mit den nachfolgenden Entwicklungen des Post- und Neukeynesianismus vertraut, ohne allerdings deren Überlegungen unkritisch zu übernehmen.
Insofern war es nur konsequent, dass Jürgen Kromphardt nach seiner Emeritierung im Dezember 2003 die Keynes-Gesellschaft gründete, die seit April 2004 ein gemeinnütziger Verein ist, dessen Mitgliederzahl ständig zugenommen und zum Zeitpunkt seines Todes über 180 Mitglieder hat. Jürgen Kromphardt war bis 2013 ihr äußerst aktiver Gründungsvorsitzender und seitdem ihr erster Ehrenvorsitzender. Seit der ersten erfolgreichen Auftakttagung in Stuttgart-Hohenheim 2006 führt die Keynes Gesellschaft regelmäßige Jahrestagungen durch. Zugleich erscheinen seit der Festschrift zu seinem 75. Geburtstag 2008 als erstem Band die Schriften der Keynes-Gesellschaft im Metropolis-Verlag Marburg.
Gemäß dem ausdrücklichen Wunsch ihres Gründungsvorsitzenden sieht die Keynes-Gesellschaft eine Hauptaufgabe darin, eine Internetpräsentation der Veröffentlichungen von und über Keynes sowie über die keynesianische Theorie anzubieten und damit eine wissenschaftliche Dokumentation über das Leben, Wirken und Nachwirken von John Maynard Keynes in Wissenschaft und Politik zu erstellen. Besonders bemerkenswert ist auch die von Jürgen Kromphardt zusammen mit Stephanie Schneider vorgenommene Korrektur und Überarbeitung der deutschen Übersetzung des Keynesschen Hauptwerkes Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes, die erstmals 2006 als verbesserte Auflage vom Verlag Duncker & Humblot in Berlin herausgegeben wurde.
Während Jürgen Kromphardt noch in seiner Zeit im Sachverständigenrat als Außenseiter galt und gelegentlich mit dem Etikett des „letzten Keynesianers“ versehen wurde, änderte sich dies mit der Großen Rezession von 2008/2009, die ihren Ausgangspunkt auf den Finanzmärkten hatte, die entgegen der Fama-These eben nicht inhärent stabil und effizient waren. Unter Bezugnahme auf Keynes wurde weltweit mit kräftigen Zinssenkungen und einer expansiven Fiskalpolitik auf die größte Wirtschaftskrise seit der Großen Depression der 1930er Jahre reagiert. Mit der „Rückkehr des Meisters“ (Robert Skidelsky) gewannen nun Überlegungen zur Bedeutung der effektiven gesamtwirtschaftlichen Nachfrage gegenüber rein angebotsseitigen Sichtweisen wieder deutlich an Gewicht.
In der Beantwortung der Frage, inwieweit die Lehren von Keynes bei entsprechenden Erweiterungen und Anpassungen an die moderne Entwicklung Entscheidendes für eine gute Wirtschaftspolitik beizutragen haben, liegt das akademische Vermächtnis von Jürgen Kromphardt. Damit bleibt sein Werk ein bleibender Bezugspunkt für die ökonomische Diskussion und die Arbeit der Keynes-Gesellschaft.
Harald Hagemann, Gustav A. Horn und Hagen Krämer
Call for Papers
Jahrestagung Tagung 2026 – Duisburg, 9.–10. März 2026
„Keynes und die Möglichkeiten unserer Enkelkinder“
Mit seinem berühmten Essay „Economic Possibilities for our Grandchildren“ (1930) entwarf John Maynard Keynes eine Zukunftsvision, in der technologischer Fortschritt und gesellschaftlicher Wohlstand zu einer drastischen Reduktion der Arbeitszeit und zu einer neuen Lebensweise führen würden. Fast ein Jahrhundert später stellt sich die Frage, welche seiner Überlegungen heute noch Gültigkeit haben – und welche neuen Herausforderungen und Möglichkeiten sich unserer und den kommenden Generationen eröffnen.
Die Tagung nimmt Keynes’ Vision zum Anlass, über Gegenwart und Zukunft von Wirtschaft und Gesellschaft nachzudenken. Im Zentrum stehen sowohl theoretische als auch wirtschaftspolitische Perspektiven auf nachhaltiges Wachstum, soziale Gerechtigkeit und makroökonomische Steuerung im Sinne einer erweiterten keynesianischen Tradition.
Wir laden dazu ein, Beiträge aus der Volkswirtschaftslehre, der politischen Ökonomie und verwandten sozialwissenschaftlichen Disziplinen einzureichen, die sich mit folgenden Themen befassen:
Thematische Schwerpunkte
- Voraussetzungen für zukünftiges Wachstum
– insbesondere im Hinblick auf die Rolle öffentlicher und privater Investitionen - Arbeitsbedingungen
– Arbeitszeitgestaltung, Qualität von Bildung, Zugangsgerechtigkeit - Ökologische Nachhaltigkeit und grünes Wachstum
- Finanzmärkte und makroökonomische Stabilität
- Einkommensverteilung und soziale Gerechtigkeit
- Zukunft der Arbeit im Zeitalter von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz
- Keynesianische Perspektiven auf internationale Wirtschaftsbeziehungen
- Wirtschaftspolitik zwischen Austerität und expansivem Staat
Darüber hinaus sind alle Themen mit Bezug zur Lehre von Keynes willkommen.
Vortragsfolien sollen auf der Homepage der Keynes-Gesellschaft veröffentlicht werden. Darüber hinaus ist die Veröffentlichung eines Tagungsbandes möglich.
Die Keynes-Gesellschaft ist um die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses bemüht und freut sich daher insbesondere über Beiträge von Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern.
Einreichung von Beiträgen
Bitte senden Sie ein Abstract (max. 200 Wörter) des geplanten Beitrags bis zum 12.12.2025 an vortraege@keynes-gesellschaft.de.
Die Auswahl der Beiträge erfolgt bis Anfang Januar 2026 durch ein Auswahlkomitee der Keynes-Gesellschaft unter der Leitung von Prof. Dr. Hagen Krämer und Prof. Dr. Till van Treeck.
Veranstalter
Keynes-Gesellschaft in Kooperation mit dem Institut für Sozioökonomie (ifso) der Universität-Duisburg-Essen
Tagungskoordination vor Ort:
Prof. Dr. Till van Treeck, till.vantreeck@uni-due.de
Julian Becker, julian.becker@uni-due.de
(0203) 379 – 1697
Weitere wichtigen Informationen über die Tagung finden Sie auf der Webseite
https://www.uni-due.de/soziooekonomie/keynes2026
Dort finden Sie auch eine Anmeldemöglichkeit zur Tagung.
Nachruf
Prof. Dr. Fritz Helmedag verstorben
Die Keynes-Gesellschaft trauert um ihr langjähriges Mitglied Prof. Dr. Fritz Helmedag, der Ende Juli 2025 plötzlich und unerwartet verstorben ist. Fritz Helmedag hat die Tagungen der Keynes-Gesellschaft regelmäßig mit seinem breiten Wissen bereichert und die Jahrestagung im Jahr 2010 an der TU Chemnitz mit großem Erfolg ausgerichtet. Er wird uns fehlen.
Der Vorstand der Keynes-Gesellschaft
Nachruf auf den Seiten der TU Chemnitz:
https://www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/vwl2/index.php
Programm der 21. Jahrestagung der Keynes Gesellschaft
Keynesianismus in Zeiten geopolitischer Konflikte
Tagungsort:
Technische Universität Chemnitz
Reichenhainer Straße 70, Weinhold-Bau
Räume: C25.014 / C25.015 / C25.021
Anreise:
https://www.tu-chemnitz.de/tu/lageplan/anreise.html
Infos Örtlichkeiten:
Map
Jahrestagung der Keynes Gesellschaft 2025
Die Jahrestagung der Keynes Gesellschaft 2025, die vom 10.3. bis 11.3.2025 in Chemnitz stattfindet, widmet sich schwerpunktmäßig dem Thema:
Keynesianismus in Zeiten geopolitischer Konflikte
Hier können Sie sich bei Poll for all für die Jahrestagung anmelden.
Bitte beachten Sie:
Während der Konferenz können Fotos, Film- und Tonaufnahmen gemacht werden, die für die Öffentlichkeitsarbeit und die Dokumentation der Konferenz verwendet werden können.
Die Aufnahmen können sowohl in Printmedien als auch im Internet und in sozialen Medien veröffentlicht werden. Die Aufnahmen können auch Printmedien, Fernseh- und Radiosendern zur weiteren Verwendung zur Verfügung gestellt werden.
Mit der Teilnahme an der Konferenz erklären sich die Teilnehmer hiermit einverstanden.
Infos zu Chemnitz
Nähere Informationen vom lokalen Veranstalter zu den Örtlichkeiten finden sich unter:
Chemnitz – Die Kulturhauptstadt 2025
Chemnitz ist 2025 Kulturhauptstadt. Es bietet ungesehene Kunst, vielfältige und internationale Begegnungen, große und kleine Festivals und Ausstellungen. Wenn Sie länger bleiben wollen, schauen sie doch einmal:
Die Regionalgruppe Rhein-Main der Keynes-Gesellschaft lädt ein zu Vortrag und Diskussion über
Die aktuelle hessische Haushaltspolitik
im Spiegel der Schuldenbremsen-Ideologie
Wer?
Dr. Kai Eicker-Wolf (DGB Hessen-Thüringen und GEW Hessen)
Wann und wo?
Mittwoch, 22.01.2025 | 18:00 Uhr | Club Voltaire | Kleine Hochstraße 5 | 60313 Frankfurt am Main
Moderation: Wilhelm Ungeheuer und Tom Winhold (Keynes-Gesellschaft)

Info zu Chemnitz